Maison Feuillette in Montargis,
Loiret, Frankreich, 1921
ältestes
Strohballenhaus Europas in Holz-Ständerbauweise mit 2 Etagen
Strohballen als Füllmaterial zwischen einer Ständerkonstruktion
Bericht in der französischen Fachzeitschrift "la Science et la
Vie" vom Mai 1921:
Ein Strohballenhaus! Diese
Wörter zusammen sind erstaunlich. Seit diesem Tag im Jahre 1921 ist dies jedoch eine sichtbare und fassbare Realität,
von der üblichen archaischen und rustikalen Vorstellung weit entfernt. Die neugierigen Besucher verlassen den Ort mit
dem Eindruck, dass ein neues Kapitel geöffnet wurde und bald eine fruchtbare Arbeit aus dieser originellen Idee
entstehen wird.
Ein Ingenieur namens Feuillette
suchte eine Idee, die vom Krieg zerstörten Länder wiederaufzubauen und zwar mit billigem und ausreichend vorhandenem
Baumaterial. Das so entstandene Haus sollte auch behaglich, hygienisch und beständig sein. Es sollte ausserdem der
bescheidenen Arbeiter- und Bauernschicht zugänglich sein, die oft ihre Unterkunft in unbehaglichen und zu teuren
Steinhäusern hatten. Er hat so das erste isothermische Haus erschaffen.
Die wesentliche Charakteristik liegt in der Beschaffenheit der Mauern: es werden
Ballen aus pflanzlichem Material ,wie Stroh oder andere Pflanzen, die vor Ort wachsen, in eine leichte aber feste
Holzrahmenstruktur gesetzt. Der Dachstuhl wird mit der gleichen Technik erbaut, was eine Vorherstellung ermöglicht und
dann ein zügiges Zusammenbauen an Ort und Stelle. Das leichte Gewicht des Baumaterials ermöglicht es, das Gerüst auf
einen leichtes Grundmauerwerk zu stellen. Eine asphaltierte Kartonschicht schützt den Bau vor
Kapillaritätsfeuchtigkeit. Die Breite der Mauern wird bestimmt durch die Dicke der Füllballen, und der Abstand
zwischen den Holzpfosten durch deren Breite. Die Ballen werden aufeinandergesetzt, bis die gewünschte Höhe erreicht
ist.
Nach dem Aufbau werden die Mauern mit einem
feinmaschigen Netz bedeckt und verputzt. Für die Aussenwand kann dies jedes mögliche Verputzmaterial sein, für die
Innenwände eine Gipsverputzung für anschliessende Tapezierung oder Farbenanstrich, wie andere Mauern auch. Die
Öffnungen wie Fenster und Türen sind in der Holzstruktur mit eingeplant und eingebaut. Ihre Grösse wird zum Einen vom
Abstand der Holzpfosten und zum Anderen von der Grösse und Anzahl der Ballen bestimmt. Es gilt hier auch die Devise der
einfachen und sparsamen Bauweise.
Man kann mit dieser
Bauweise auch Etagenhäuser und ganz allgemein alle möglichen Hausarten erbauen, da diese Art zu Bauen sehr
anpassungsfähig ist. In die Mauern werden Rohre verlegt um Desinfiziermittel einzuspritzen, die die in Häusern
übliche mikrobiologische und tierische Fauna vernichtet.
Abgesehen von den schon erwähnten Vorteilen, ermöglicht der Gebrauch von vor Ort
wachsendem pflanzlichem Baumaterial (Getreidestroh, Schilfrohr, Stechginster, Ginster, Brombeerstrauch, verschiedenes
Zweigwerk,und andere Pflanzen, die mit einer Pflanzenpresse kompatibel sind) eine grosse Ersparnis von den sonst
üblichen Transportmittelkosten. Man kann die standartisierten Dachstuhlelemente serienmässig herstellen, was zum Einen
die Kosten stark mindert und zum Anderen eine sehr zügige Bauweise ermöglicht, mit ausserdem wenig kostspieligem, weil
nicht tiefem Grundmauerwerk. Die durch die wenig kompressierten Strohhalmen eingeschlossene Luftschicht garantiert eine
sehr gute Isolation, die noch durch die Breite der Mauern, etwa 40cm, verbessert wird. Dadurch haben die Veränderungen
der Aussentemperaturen wenig Einfluss auf die Temperatur der Innenräume.
Vor allem im Industrie- oder Landwirtschaftsbau zeigt sich am Besten die
Überlegenheit des Feuillette-Systems im Bezug auf die Baukosten. Die einfache Bauweise ermöglicht es sogar, ganze
Mauerteile zu demontieren und woanders wieder aufzubauen. Alle anderen aktuellen Bauweisen werden Vorteile aus der
systematisch ersuchten Einfachheit und aus den originellen Innovationen ziehen, sowohl bezüglich der
Realisationsmitteln wie auch der Arbeitsmethoden. Der Erfolg der ersten Bauwerke beweist, dass sich der gesunde
französiche Menschenverstand diese neue Architektur zu eigen gemacht hat und bereit ist, diese für die
Zufriedenstellung der grossen Bedürfnisse unseres Landes einzusetzen.
Gustave Lamache
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